Montag, 7. Oktober 2013

16. Wiener Brief 2.0

„Blondie und die Warteschlange“
 
Zurück in Wien. Aber nur zum Teil, da ein guter Teil des Briefes noch in Sardinien spielen wird. Aber lest selber.
 
Dass der Mensch nach wie vor ein Herdentier ist und über weite Strecken seines Lebens davon bestimmt wird, lässt sich nicht von jedermann bzw. jederfrau leugnen.
 
Wir kommen am Flughafen von Olbia an und stellen uns, ohne viel darüber nachzudenken, an das Ende der Warteschlage für den Check-In nach Wien. Die Schlange ist mit etwa 30 Personen vor uns noch nicht so lange, dass man sich aufregen müsste, da man auch noch üppig Zeit bis zum Abflug hat. Und der Flughafen von Olbia hat auch nur ein beschränktes Angebot, um die Zeit tot zu schlagen. Und es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Wartenden bei zwei geöffneten Schaltern abgearbeitet wurde.
 
Und hier tritt das erste Mal so etwas wie ein Fragezeichen im Kopf einer neu zur Warteschlange stoßenden jungen Mutter (oder Schwester) von zwei Kindern und massig Gepäck auf einem Wagerl auf. Man kann es formlich sehen wie sie sich anstrengt und sich folgende Frage im Inneren ihres von blondiertem Haar geschützten Köpfchen formt: „Wieso steht denn da niemand beim zweiten Schalter an???“. Ich hab extra drei Fragezeichen gemacht, weil das Denken offensichtlich sehr anstrengend war und die Antwort auf sich warten ließ. Noch etwas unsicher, aber trotzdem zielstrebig in Richtung zweiten Schalter unterwegs, lässt sie die Warteschlage links liegen (im konkreten Fall war es rechts, aber das tut ja jetzt eh nichts zur Sache, ich wollte nur mal wieder einen Kommentar anbringen, ansonsten würde sich das Ganze ja viel zu flüssig lesen ;-) ) und grübelt nach wie vor an der Frage. Vorne am Schalter angekommen bezieht sie einmal Position, um die Sachlage zu sondieren und in Ruhe über die Lösung der Frage zu sinnieren. Das geht eindeutig besser, wenn man nicht gleichzeitig ein Wagerl mit Gepäck schieben muss. Die Kinder im Schlepptau sind überraschend ruhig und nehmen die Schwierigkeiten ihrer Begleiterin nur peripher wahr. Stören also nicht beim Denken, falls sich einer darauf ausreden möchte ;-).
 
Die Warteschlange ist noch überraschend ruhig und lässt Blondie (ja, ist jetzt eindeutig abwertend und auch so gemeint, obwohl sie wahrscheinlich nichts dafür kann) mal einfach dort stehen. Selbst jene, die als nächstes am zweiten Schalter dran kommen verhalten sich ruhig. Aber es geht ja auch keiner davon aus, dass sich Blondie jetzt an allen vorbei an den zweiten Schalter stellt und glaubt als nächstes dran zu kommen. Das wäre zu weit hergeholt. Auf der anderen Seite darf man schon auch diejenigen die die Spitze der Warteschlange bildeten kritisieren, da sie einem offensichtlich hilflosen Wesen nicht die gebührende Hilfe angedeihen haben lassen.
 
Die Antwort auf die bis dato ungelöste Frage von Blondie wurde aber auch ohne viele Worte durch das Vorrücken der nächstgereihten in der Warteschlange zum zweiten Schalter beantwortet. Nur begleitet von bösen Blicken, als sich Blondie wirklich anschickte ihr Wagerl zum zweiten Schalter zu schieben.
 
Nun kann man natürlich darüber diskutieren, ob das System mit nur einer Warteschlange das effizientere ist oder nicht. Aber nicht zu diskutieren ist, dass es das fairste System ist. Man kommt genau in der Reihenfolge dran, wie man sich angestellt hat. Nicht früher, aber auch nicht später. Diese Warteschlange ist mit dem FIFO Speicherkonzept vergleichbar. First in first out. Der einzige wirkliche Nachteil dieser Variante ist, dass der Raum für die Wartenden nicht optimal genutzt werden kann. Zumindest nicht ohne die Warteschlange in vorgegebene, geordnete Bahnen zu lenken.
 
So kommt es, dass Blondie das Konzept der einen Warteschlange zumindest vorläufig verstanden hat und macht sich zurück am Weg zum Ende der Warteschlange, das mittlerweile natürlich erheblich weiter hinten liegt, als dies bei der Ankunft von ihr der Fall war.
 
Just in diesem Moment wird vom Personal die zweite Schlange eröffnet, weil die Warteschlange bereits den halben Terminal durchläuft. Blondie dreht sich, gerade am Ende der Schlange angekommen, um und kann es nicht glauben. Gerade eben wurde ihr das Konzept klar und im selben Moment löst sich die gesamte Erkenntnis wieder in Luft auf.
 
Es ist nicht immer einfach sich in der Welt zurecht zu finden und schon gar nicht, wenn sich alles ständig ändert. Aber sobald sich das System der einen Warteschlange bei uns durchgesetzt hat, wird das Leben von so manchem einfacher. Bei unserer Post kann man da schon anfangen zu üben, falls man sich noch unsicher sein sollte. In der Hoffnung, dass sich noch mehrere Nachahmer und Nachmacher des Systems bei uns finden, verbleibe ich mit lieben Grüßen,
 
Stefan

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen