Freitag, 25. Oktober 2013

1. Wiener Kaffeehaus Brief 2.0

„Fehlstart“

Schon wieder eine neue Serie? Ja, unsere Wiener Kaffeehäuser haben es sich verdient, eine eigene Serie im Rahmen der Wiener Briefe zu bekommen. Zumindest dachte ich das.
In die Serie der Wiener Kaffeehaus Briefe werden ausschließlich Briefe aufgenommen, die in einem selbigen entstanden sind. Nicht unbedingt digital, da es zumeist an der technischen Ausstattung mangelt, was auch nicht  wirklich stört. Ganz im Gegenteil, dass Abgeschnitten sein von der immer präsenten digitalen Welt kann auch Mal ganz entspannend sein. Und eine Zeitung auf Papier von vorne bis hinten ungestört durchzulesen hat fast was Meditatives.
Aber die Serie startet mit einem klassischen Fehlstart. Ich überlege mir, die Serie auch gleich wieder einzustellen. Aber lest selbst.
Kaum in einem der so bekannten traditionellen Wiener Kaffeehäuser angekommen, gibt’s auch gleich kein Frühstück mehr. Es würde mich auch nicht weiter stören, wenn ich eine Stunde nach Frühstücksschluss gekommen wäre. Wobei man natürlich trefflich drüber streiten könnte, ob es notwendig ist den Verkauf einer speziellen Kombination von Speisen, als mehr sehe ich ein Frühstück nicht an, nach einer gewissen Uhrzeit einstellen zu müssen. Mir erschließt sich der Mehraufwand nicht. Anderen offensichtlich auch nicht, da man vielerorts bereits bis spät in den Nachmittag ein Frühstück serviert bekommt.
Wie gesagt, wenn es da eh eine Küche gibt, wo ist da der Aufwand? Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Nein, das stimmt natürlich nicht, ich lasse mich ganz und gar nicht gerne eines Besseren belehren. Aber ihr könnt es gerne versuchen, nur bitte nicht beleidigt sein, wenn ich es ignoriere ;-).
Bis 11:00 gibt es Frühstück in besagtem Kaffeehaus und ich bin ein paar Minuten vorher angekommen. Bis mich der Kellner dann gefunden hat, war es gut und gerne 5 (in Worten: fünf) Minuten nach elf. Maximal.
Ich weiß, für einen Deutschen würde sich die Frage nach einem Frühstück jetzt gar nicht mehr stellen, weil es ja schon nach 11 ist. Aber bei uns in Österreich sollte das alles ein bisserl entspannter ablaufen. Wir sind nicht so überkorrekt, dachte ich, aber anscheinend hab ich mich getäuscht.
Wie gesagt, ich verstehe es, wenn ich ¼, eine ½ oder gar 1/1 Stunde nach dem Frühstücksende komme. Aber wenn ich quasi eh pünktlich bin und nur das Service es nicht schafft, mich rechtzeitig zu bedienen, oder die Küche keine Lust mehr hat Geschirr anzupatzen, dann, ja dann bin ich sauer.
Und um dem Café  etwas zu Fleiß zu tun, bin ich nicht aufgestanden und gegangen. Das wäre zu einfach. Nein, ich hab mir einen kleinen Mocca bestellt und bin sitzen geblieben. Für alle jene die nicht so oft ein Wiener Kaffeehaus besuchen, man bestellt hier keinen Cappuccino, Espresso oder gar Latte Macciato. Hier gibt’s Mocca, kleine oder große Braune, Verlängerte, Einspänner,…
Noch eine Bitte an meine lieben Deutschen, bitte, bitte, bestellt keinen Kaffee und schon gar nicht mit der Betonung auf die ersten Silbe. Was soll Kaffee sein? Das ist gerade so, als ob man in einen Computerladen geht und nach einem Computer fragt. Oder für meine weiblichen Leser, in einen Schuhgeschäft nach einem Schuh fragt. Das macht doch keinen Sinn, oder? Ihr werdet sofort Opfer des bekannten Grant des Wiener Kaffeehauskellners und seit selber dran schuld. Aber dazu bestimmt ein anderes Mal mehr.
Ich sitze also bei meinem kleinen Mocca und schreibe diesen Brief in mein neues, in neudeutsch, Notepad. Aber auch dazu bestimmt ein anderes Mal mehr. Ich sitze also zu Fleiß im Kaffeehaus bei einem einzigen kleinen Mocca und denke, mich damit an der Weigerung mir ein Frühstück zu bringen, rächen zu können. Weit gefehlt. Dafür sind unsere Kaffeehäuser sogar bekannt, dass man hier Stunden lang sitzen, schreiben, lesen oder was auch immer machen kann, ohne dem Konsumzwang unterliegen zu müssen. Siehe auch p.s.
Das war schon immer so und wird hoffentlich auch noch lange so bleiben. Viele große Meisterwerke haben in einem Wiener Kaffeehaus ihr Licht der Welt erblickt und jetzt auch ein Wiener Brief ;-).
Stefan
p.s. Mein Konsumentationskoeffizient lag bei 3 €/h und die viel wichtigere Konsumentationskennziffer bei 0,75 €/(h x Sitzplatz). Und das sind Werte, die nur in Wiener Kaffeehäusern erreichbar sind. Falls die Kennzahlen nicht bekannt sein sollten ist das nicht weiter schlimm, da ich die gerade eben ersonnen und folgendermaßen definiert habe:
Konsumentationskoeffizient = Gesamtkonsum / Gesamtaufenthaltsdauer
Konsumentationskennziffer = Konsumentationskoeffizient / blockierte Sitzplätze
Wichtig bei der Ermittlung der beiden Kennzahlen ist, dass es keine Versuche des Personals geben darf, einem den weiteren Aufenthalt zu vermiesen. Also keine bösen Blicke, oder zwischendurch mal den Tisches abwischen und alles auf den Schoß des Gastes wischen, oder gar fragen, ob man nicht zahlen will.
Aber es war nicht nur die Niederschrift des ersten Wiener Kaffeehaus Briefes der meine Kennzahlen dermaßen in den Keller gehen ließen, da war auch noch ein Liebesbrief an meine Süße dabei. Aber der ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und benötigt noch einen Feinschliff…
p.p.s. Die Bettlerquote war mit 3 Bettler/Stunde dafür höher als sonst wo. Aber auch dazu bestimmt ein anderes Mal mehr.

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