„Pech“
Es kann ja jeden von uns mal erwischen. Wieso es
ausgerechnet mich erwischt hat, weiß ich nicht. Weder hab ich es verdient, noch
hab ich meines Wissens nach irgendetwas aktiv dazu beigetragen.
Pech wäre jetzt auch nicht weiter schlimm. Schlimm wird es
erst, wenn sich Pech mit Unvermögen paart. Und richtig schlimm wird es, wie in
meinem Fall, wenn sich eine klassische österreichische Grundeinstellung dazugesellt.
Die Vorgeschichte warum mich diese Melange der deprimierenden
Ereignisse überhaupt erreichen konnte, ist rasch erzählt. Als in Wien lebender
und arbeitender Mensch habe und brauche ich kein Auto (Wie es dazu kam ist eine
andere Geschichte, die hier nicht weiter ausgeführt werden soll, würde sie doch
den Rahmen sprengen und außerdem wurde sie schon an anderer Stelle ausführlich thematisiert).
Aber wie ich als autoloser Mitmensch zu einer, nein, zwei Anonymverfügungen
wegen Falschparken gekommen bin, ist schon fast etwas skurril. Auch deswegen,
weil die beiden Strafen ein und dasselbe Delikt betreffen.
Zurück zur Vorgeschichte. Für die Wege außerhalb Wiens, also
die Abenteuerreisen in die Bundesländer, nehme ich regelmäßig die
Dienstleistung von mietbaren Fahrzeugen in Anspruch. So auch an jenem so
schicksalshaften Tag.
Fehler Nummer eins war, dass ich wegen ein paar Euros nicht
bei meinem Haus und Hof Vermieter das Auto nahm, sondern die günstigere, auch
schon ein paar Mal ausprobierte und für gut befundene, Alternative bevorzugte.
Was nicht bedacht wurde, und damit sind wir bei Fehler
Nummer zwei, dass man dort das Fahrzeug zwar jederzeit retournieren kann, aber
es keine fixen Parkplätze gibt. Man stellt das Fahrzeug wie jedes andere auch
auf den verfügbaren öffentlichen Parkplätzen ab. Und in Kombination mit dem
Versuch der Rückgabe in der Nacht von Samstag auf Sonntag erschließt sich schön
langsam das bevorstehende Desaster. Zumal sich die Vermietstation im ersten
Wiener Gemeindebezirk befindet. Und die Anzahl der dort als Parkplätze
vorgesehenen Flächen sind mehr als überschaubar. Aber zu diesem Zeitpunkt ahne
ich noch nichts. Ganz im Gegenteil.
Nach einer gefühlten Ewigkeit des ungewollten durch die
Stadt kreuzens, in der objektiven Maßeinheit der Minute waren es weit mehr als
30 davon, fand ich ein Plätzchen für mein Fahrzeug, das soeben von einem
anderen freigegeben wurde. Sitz, wackelt und hat Platz. Perfeto. Zugesperrt und
den Schlüssel eingeworfen. Wie immer halt.
Einige Wochen nach dieser Anmietung bekam ich wieder Post
vom Vermieter. Zweimal. Ich dachte, wie ansonsten auch üblich, dass das die
Rechnungen sein. Dass da zwei idente Briefe waren hat mich aber schon etwas
stutzig gemacht. Also aufgerissen und nachgesehen. Und siehe da, da springt mir
das Pech förmlich aus dem Kuvert ins Gesicht.
Eine Rechnung des Vermieters für den zusätzlichen
administratorischen Aufwand der anfällt, wenn dieser eine Verkehrsstrafe
weiterleiten muss. Ich eine Verkehrsstrafe, ich der quasi das Muster eines pflichtbewussten
Mitbürgers darstellt? Und siehe da, meine Anonoymverfügung hängt auch anbei.
Mir wirft das Magistrat der Stadt Wien (oder der Bürgermeister persönlich, ich
weiß nicht so genau, wer da wirklich dahinter steckt) vor, dass ich die 5 Meter
Mindestabstand zum Schutzweg auf einer nicht durch Lichtzeichen geregelten
Kreuzung nicht eingehalten habe. Sprich, ich hab zu nahe am Zebrastreifen
geparkt. Das ist Pech. Aber ich kann mich erinnern, dass das mit dem Abstand
zum Zebrasteifen schon etwas eng war und ich kann mich düster daran erinnern,
dass das Thema in der Fahrschule war. Und nur weil dort vorher einer gestanden
ist, heißt das ja nichts, außer dass er offensichtlich Glück gehabt hat. Mein
Fehler und dazu stehe ich. Und auch zu den 68 Euro die mich der Spaß kostet.
Zusätzliche 22 Euro für den Vermieter sind ganz schön happig, aber egal, mein
Fehler. Aber im Vergleich zu den Gesamtkosten der Fahrzeuganmietung, etwa 60
Euro, schon nicht mehr sehr günstig. Aber wie gesagt, mein Fehler, mein Pech,
dazu muss ich stehen.
Jetzt kommt der Moment wo sich zu meinem Pech so etwas wie Unvermögen
hinzugesellt. Der zweite Umschlag, wir erinnern uns, da waren Kuvertzwillinge
in meiner Post, eröffnete mir folgendes. Ich muss 22 Euro für den Aufwand des
Vermieter zur Weiterleitung einer Verkehrsstrafe an mich bezahlen und die
Verkehrsstrafe anbei sagt mir, dass ich ein Fahrzeug regelwidrig zu nahe an
einen Fußgängerübergang abgestellt hätte. Ein derart starkes deja-vu hatte ich
schon lange nimmer.
Kann ja wohl nur ein Fehler bei der Bedienung des Kopierers
sein, da hat wahrscheinlich jemand zwei Kopien anstatt von einer gemacht. So was
kann schon mal passieren, wenn der Lehrling gleichzeitig kopieren, Kaffee holen
und zur Post gehen soll und am Weg auch noch das Mittagessen für die gesamte
Belegschaft holen soll. Wobei jeder natürlich Sonderwünsche hat, die für jeden
einzelnen einen A4 Zettel füllen würden. Also, kann passieren.
Nur um ganz sicher zu gehen, hab ich mir beide Briefe bevor
ich ihn wegschmeiße nochmals näher angesehen und musste mit Entsetzen
feststellen, dass der Lehrling zumindest am Kopierer keinen Fehler gemacht hat.
Vielleicht hat einer der Angestellten Mayonnaise mit 60% Fett in seine Käseleberkäsesemmel
bekommen, anstatt der bestellten 80%igen, aber am Kopierer hat er seine Sache
gut gemacht.
Bei genauerer Betrachtung konnte eindeutig ein Unterschied
bei den beiden Briefen festgestellt werden. Der erste warf mir das Vergehen um
23:00 vor, der zweite das gleiche Vergehen um 5:30 des Folgetages.
Da ich die Briefe montags früh morgens geöffnet habe, nutzte
ich die Gunst der frühen Stunde um zu telefonieren. Der für Verkehrsstrafen
zuständige Ansprechpartner beim Vermieter war höfflich und bemüht, konnte mir
aber auch nicht weiter helfen, da er von so einem Fall noch nie gehört hat. Zu
meinem Pech (schon wieder) war er nur die Vertretung der eigentlichen
Ansprechperson und er kannte sich nicht so gut aus. Als Tipp auf meine Kritik,
was die Abstellflächen bei dieser Anmietstation betrifft, empfahl er mir, das
Fahrzeug bei einer anderen Station zurückzugeben. Wien ist zwar eine Weltstadt,
die mittlerweile auch einen 24 Stunden Betrieb der U-Bahnen am Wochenende
vorsieht, aber die Anmietstationen von ein und demselben Unternehmen sind jetzt
auch nicht einen Steinwurf voneinander entfernt. Und bei der Wahl dieser
Station hatte ich ja auch einen Hintergedanken, ich nehme die, bei der ich am
schnellsten wieder zu Hause bin. Also, netter
Versuch, aber auch schon nicht mehr.
Man sieht hier bereits, dass das Scheiben heute für mich
mehr therapeutischen Charakter hat als sonst. So hilft‘s wenigsten mir, falls
es für euch auch noch lesenswert ist, dann umso besser. Wobei, ganz genau
genommen, fühle ich mich noch nicht wirklich besser. Also weiter im Text,
vielleicht wird es ja noch was mit meiner Therapie.
Nächste Station auf meinem kleinen persönlichen Kreuzweg,
den ich natürlich aus eigener Schuld angestoßen habe, ich weiß, war das
Magistrat der Stadt Wien. Anscheinend bin ich nicht der einzige der beim Erhalt
einer Anonymverfügung (vielleicht kann mir einer von euch die Herkunft dieses grässlichen
Worts erörtern, oder hat man einfach den Duden aufgeschlagen und hässliche
Worte miteinander kombiniert, in der Hoffnung, dass ein noch hässlicheres Wort
daraus entstehen möge?) telefonisch nachfragt. Die Nummer wird mit angedruckt
und zu meiner Überraschung hebt auch fast augenblicklich jemand ab.
Die Dame am anderen Ende war so freundlich mir die beiden
Dokumente rauszusuchen und diese miteinander zu vergleichen. An sich ist es
laut ihrer Auskunft nicht üblich, dass man, wenn man stehen bleibt, dieselbe
Strafe innerhalb von Stunden nochmal bekommt. Aber wie das gesetzlich geregelt
ist, kann sie mir nicht sagen, da sie es nicht weiß. Beim Vergleich der beiden
Strafen fällt ihr aber gleich auf, dass es zwar das gleiche Vergehen zu
unterschiedlichen Uhrzeiten ist, aber der Ort des Verbrechens ist ein anderer.
Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Einmal steht
als Ort des Geschehens die Gasse die nach einem riesigen Fisch benannt wurde,
der hier zu Urzeiten mal gestrandet sein dürfte, mit der Hausnummer 8. Und
einmal steht wieder die gleiche Gasse nur mit dem Zusatz ggü 11. Tja, und
deswegen kann man da nichts machen. Das sind ja zwei verschiedene Orte. Aber
Moment mal, heißt die Abkürzung ggü nicht Gegenüber? Das tut sie, aber das
heißt ja nicht, dass Nr. 8 gegenüber der Nr. 11 ist, oder? Stimmt. Aber wenn es
so wäre, dass Nr. 11 genau gegenüber der Hausnummer 8 wäre, was dann?
So, wir sind an dem Punkt der Geschichte angelangt, an dem
sich zu meinem Pech erstes Unvermögen und eine äußerst beliebte österreichische
Grundeinstellung gesellt.
Wenn es so wäre, dass beide Angaben den gleichen Ort
beschreiben (laut google maps liegen 2 Meter zwischen diesen beiden Hausnummern,
also einmal quer über die Einbahnstraße), ja dann, dann kann man auch nicht viel
machen. ?§%$&$+#. Einzige Möglichkeit, dass man bei so etwas bei den
Behörden Gehör bekommt, ist es, die Strafe nicht zu zahlen. Also die zweite,
die erste schon, aber dazu stehe ich ja. Zahlt man nämlich nicht innerhalb der
angegebenen Frist, so kommt es zu einem Verfahren bei dem man die Möglichkeit
hat, sich zu äußern. Vorher nicht. Und warum? Deis is holt aso. Anstatt einen
offensichtlichen Fehler im Vorfeld zu klären und anfallende Kosten für das
Verfahren zu sparen, beharrt man auf diese Vorgehensweise.
Ich weiß, das ist Gesetz bei uns und niemand kann und sollte
sich darüber hinweg setzten können. Aber ist bin sicher nicht der einzige Fall,
der vor einem Verfahren schon auf Grund von offensichtlichen Fehlern bereinigt
werden könnte.
Eine detaillierte Auskunft meiner Rechtsschutzversicherung
steht noch aus, aber das erste Telefonat hat mir schon vor Augen geführt, dass
der Fall nicht so eindeutig beurteilt werden kann, wie ich das in meiner Blauäugigkeit
angenommen habe. Ich muss nämlich im Verfahren beweisen, dass ich das Fahrzeug
nicht bewegt habe und von Nr. 8 auf ggü Nr. 11 gestellt habe. Und ob die Gesetzeslage
nicht auch zulässt, dass das gleiche Vergehen nicht auch öfters hintereinander
gestraft werden darf, ist auch noch nicht ganz klar.
Vielleicht hatte ich in Wirklichkeit ja Glück in jener Nacht
und ich wurde nur zweimal angezeigt und viele andere, von denen ich nichts weiß,
wurden fünfmal oder öfter in jener Nacht bestraft. Bitte meldet euch und wir
ziehen dann gemeinsam vors Rathaus. Also dann, wenn der Weihnachtsmarkt vorbei
ist, ansonsten könnte das unglaubwürdig wirken.
Ich trage mit meinem Steuern gerne zum Funktionieren meines
Landes bei, aber die Not ist doch noch nicht so groß, dass man anfangen muss,
autolosen Mitbürgern mit stündlichen Falschparkstrafen das Geld für das Stopfen
der Budgetlöcher abzunehmen.
Stefan