Donnerstag, 31. Oktober 2013

2. Wiener Kaffeehaus Brief 2.0

„Ohne Titel“

Die Kombination unserer Arbeits- und Privatsituation, ermöglichen mir es heute die Niederschrift des 2. Wiener Kaffeehausbriefs. Meine Süße muss arbeiten, mein Arbeitgeber hingegen war so entgegenkommend und hat meinem Ansuchen um Abbau eines Urlaubstages wohlwollend entsprochen. Zusätzlich ist es mir auf Grund einer regelmäßigen Grundreinigung unserer Wohnung die auf den heutigen Tag fällt, nicht möglich mich in dieser aufzuhalten. Besser gesagt, will ich das nicht. Jemanden beim Arbeiten zu zusehen, dafür muss man schon eine gewisse Veranlagung mitbringen, quasi ein Talent haben. Das ist bei definitiv nicht der Fall. Und mir das mittels harten Arbeit zu erarbeiten, dazu hab ich auch keine Lust.

Zurück zum Kaffeehaus. Auch heute schaffe ich es erst so gegen 11 Uhr im Kaffeehaus meiner Wahl anzukommen. Und natürlich ist es ein Wiener Kaffeehaus, weil sonst, dem aufmerksamen Leser wäre dies bestimmt nicht entgangen, würde der Brief ja gar nicht in die von mir selbst auferlegte Definition der Kategorisierung der Briefe fallen. Kurz: Der Brief passt ja sonst nicht in die Serie. Der Inhalt hingegen, und das wird der vorliegende Brief in aller Deutlichkeit auch noch mal zeigen, muss genau gar keine Bedingung erfüllen ;-).

Aus bekannten Gründen, falls nicht bitte den 1. Wiener Kaffeehaus Brief vorziehen, fiel meine heutige Wahl auf ein anderes Haus. Es trägt den stolzen Namen eines unserer größten Krieger der Vergangenheit. Mehr dazu gibt’s bestimmt im Internet.

Erneut zurück zum Kaffeehaus. Um genau zu sein, ist es bereits nach 11 Uhr als ich eintreffe. Aber diesmal gibt’s, wie ich das auch erwartet habe von so einem Haus, keinerlei Probleme ein Frühstück zu bekommen. Das mag auch daran gelegen haben, dass es hier Frühstück bis 12 Uhr gibt ;-).

Um meinem eigenen innerlich manifestierten Bildes eines Kaffeehausbesuchs in Wien gerecht zu werden, sitze ich nun seit gut einer Stunde hier und esse ab und zu einen Bissen vom ausgezeichneten Frühstück, lese zwischen durch in einem mitgebrachten Buch oder in der Zeitung und schreibe das hier, mache aber keine Anstalten, die Räumlichkeiten in den nächsten Stunden zu verlassen. Noch stört sich auch niemand daran. Noch.
 
Ich hatte auch das Vergnügen, manch einer würde damit wohl kaum Vergnügen verbinden, einer der berühmt berüchtigten Bedienungen zu haben. Sprich, relativ schnell, aber weder freundlich, nicht mal oberflächlich oder ansatzweise ein Versuch einer gespielten Freundlichkeit, hier steht man dazu und das finde ich gut, noch wirklich zuvorkommend. Und in meinem Falle auch noch weiblich.

Das ist nach meiner bisherigen Erfahrung die Ausnahme. Aber den Fortschritt kann man nicht aufhalten, soll mal einer gesagt haben. Mich persönlich stört das auch nicht weiter, solange sie den Gästen den von ihnen erwarteten Grant entgegenbringen und nicht von Tisch zu Tisch fliegen und freundlich und zuvorkommend die Gäste bedienen, ist mir das relativ wurst.

Und natürlich müssen sie mich hier sitzen, lesen, essen und schreiben lassen, ohne auch nur mit Blicken zu signalisieren, dass es jetzt an der Zeit wäre. Außerdem wäre das viel zu gefährlich, denn ich weiß aus gut unterrichteten Kreisen, dass Blicke sogar töten können,  und ganz speziell die der Damen.

Stefan
 
p.s. Mein heutiger Konsumentationskoeffizient beträgt 10 Euro/Stunde. Die Konsumentationskennziffer liegt bei 2,5 Euro/(Stunde x Sitzplatz). Und damit liegen meine heutigen Werte weit unter den Bestmarken vom 1. Brief. Aber ich kann heute zumindest mit einer sensationellen Bettlerquote von 0 (in Worten: Null) aufwarten.

Sonntag, 27. Oktober 2013

20. Wiener Brief 2.0

„Das Konzert“

Der Schauplatz der Geschichte ist, wie könnte es in Wien anders sein, eines der traditionellen alterehrwürdigen Häuser im Herzen Wiens. Hier treffen sich Freunde der Musik und heute bin auch ich hier.
Mit meiner zauberhaften Frau an meiner Seite betrete ich das imposante Gebäude und merke, dass ich nicht sonderlich gut für den Abend vorbereitet bin. Man könnte meinen, dass man sich besser über die Dinge die einem in den nächsten zwei Stunden erwarten werden informiert. Aber heute reicht es aus, vorläufig zu wissen, dass wir ein Konzert eines der bekannten Orchester Wiens hören werden. Ich muss auch nicht jeden Kinofilm vor Beginn auswendig kennen, um ihn mir anzusehen. Ein bisserl Überraschung im Leben schadet nicht.
Das Haus verfügt über eine funktionierende Infrastruktur in ausreichendem Maße. Sprich, die Garderoben sind so zahlreich, dass man sich nicht anstellen muss, weder vor noch nach dem Konzert und dasselbe gilt eingeschränkt für die Getränkeversorgung. Kurze Wartezeiten werden hier in schöner Erwartung des Abends einfach weggelächelt. Traditionellerweise beginnt man als Zuhörer das Konzert mit einem Glaserl Sekt. Und als durchaus traditionsbewusste Menschen werden wir hier keine Ausnahme machen.
Die Plätze sind schnell gefunden und weisen den Vorteil auf, dass sie am Mittelgang liegen. So kann man bei Bedarf schnell und ohne groß zu stören flüchten. Der Nachteil ist, dass die gesamte restliche Reihe bei uns vorbei muss. Und natürlich kommen alle anderen später als wir.
Der Saal ist atemberaubend. Genau so stellt man sich das Ambiente für einen Konzertabend mit klassischer Musik für. Über und über mit Gold verzierte Brüstungen, Gold und Gemälde an der Decke und Kristallluster die einen fast erblinden lassen. Hier wird man sich der guten alten Kaiserzeit noch fast körperlich gewahr. Hier ist die Welt noch in Ordnung und alles Unschöne und Bedauernswerte wird beim Schließen der Türen für die Dauer des Abends ausgesperrt.
Der Dirigent betritt den Saal und Applaus brandet auf. Er stellt das Orchester vor, also nicht namentlich, sondern mit einer ausschweifenden Armbewegung und entlockt mit einer fast unmerklichen Bewegung seines Taktstocks dem Orchester die ersten Töne. Es hat begonnen und es ist beeindruckend. Im Auditorium herrscht Stille.
Die Musik scheint hier mehr zu sein als nur profane Physik, Schallwellen die sich im Raum fortpflanzen und schließlich unser Ohr erreichen. Es liegt Gefühl in der Luft, das sich mit der Musik verbindet und gemeinsam den ganzen Körper erfüllt. Man kann die Musik spüren. Ich schließe die Augen und genieße den Augenblick.
Hust.
Die Musik nimmt Schwung auf und erklimmt mit sagenhafter Eleganz Höhen und steigert sich in ein angenehm beschwingtes Tempo, um die erste musikalische Stille vorzubereiten. Und da ist sie, kaum wahrnehmbar. So zart und leicht, dass man sich kaum getraut, sie sich bewusst zu machen, vor Angst, man könne sie zerstören.
Knarz. Räusper. Hüstel.
Sie umschmeichelt und haucht zart ins Ohr. Nur um im nächsten Augenblick den Druck zu erhöhen, um sich wieder Gehör zu verschaffen. Aber immer ohne auf ihre Harmonien zu verzichten.
Hust. Räusper. Knaaarz. Schnäuz. Hüstel. Klimper.
Erstmals werde ich mir der störenden Hintergrundgeräusche bewusst. Waren die immer schon da, oder haben sie sich erst entwickelt? Eine Melodie die hier so passend ist, wie ein Farbenblinder für eine Farbberatung, durchbricht meine Gedanken. Ein Handy verschafft sich Aufmerksamkeit. Kommentarvoll wird versucht das durchaus wahrzunehmende Geräusch unter Kontrolle zu bringen. „I habs sicher ausgschalten“. „Naaa, deis muss si selber einschalten haben“. Anstatt sich zu konzentrieren und das Abspielen des immer wieder kehrenden Klingeltones unter Kontrolle zu bringen, und die Tasche in der sich das Telefon befindet zuzuhalten zähle ich nicht dazu, wird auf die moderne Technik geschimpft, ohne sich die Vorteile wieder Mal bewusst vor Augen zu führen, die uns technische Revolutionen gebracht haben, wenn man sie beherrscht. Was bleibt ist, dass man offensichtlich menschlich immer noch nicht so weit ist, zu den eigenen Fehlern zu stehen. Immer sind die anderen oder irgendwas anderes schuld, nie man selbst.
Zu meinem Glück war es eine relativ leise Störung, zu meinem Pech war sie direkt hinter mir. Ein Blick über meine Schulter mit anschließendem Kopfschütteln sollte als sanfte Maßregelung fürs Erste reichen. Man möchte einer Dame im fortgeschrittenen Alter ja nicht ins Gesicht sagen, dass sie sich gefälligst benehmen soll. Mit geschätzten 80 hat sie das wahrscheinlich nicht verdient. Zumal sie ja offensichtlich mit ihrer Mutter im Konzert ist.
Mit dem Schulterblick konnte ich aber auch eine der Störquellen, nämlich die, die das Geklimper verursacht hat, identifizieren. Die ältere Dame. In Ihrem Goldschmuckbehang würde sie die meisten hell erleuchtenden Christbäume erblassen lassen. Vielleicht schön anzusehen, nur klimpert es bei jeder Bewegung. Und da die Körperkontrolle mit dem Alter anscheinend zusehends schwindet, klimpert es sehr häufig. Und das stört mich. Es fühlt sich ein bisserl so an, als ob ein Bewegungslegastheniker eine zusätzliche Triangel hinter mir schlagen würde. Leise, aber immer im Bereich des Wahrnehmbaren.
Applaus reißt mich aus meinen Gedanken und lässt mich zurückkehren in die schöne mich umgebende Welt. Das zweite Stück des Abends erwartet seine Darbietung. Die ersten Töne haben kaum mein Ohr erreicht, da queren bereits wieder die ersten Störgeräusche die Harmonien des Abends. Ist es möglich, dass man für nur etwa fünf Sekunden die Kontrolle über seinen Körper hat und dann unweigerlich Husten oder sich am Sessel bewegen muss, im vollen Bewusstsein, dass dieser Knarzen wird?
Ein weiteres festgestelltes Phänomen des Abends ist es, dass, wenn sich jemand die Freiheit nimmt, sich des im Rachen gesammelten Auswurfs mittels Räuspern zu entledigen, stimmen sogleich eine Vielzahl von Sympathisanten ein und tun es ihm gleich. Fast ungeniert wird geräuspert und gehüstelt was das Zeug hält. Und weil sich eh gerade alle Husten und Räuspern nutzt man die Gelegenheit und ändert geräuschvoll die Sitzposition. Das geht ja quasi unter in den störenden Geräuschen. Und das alles fast unmittelbar nach der Applauspause. Ich nehme mir die Freiheit von Entdeckern, Neuentdeckungen einen Namen vergeben zu dürfen und nenne sie Trittbrettstörer. Aber wirkliche Schuld würde nur derjenigen haben, der angefangen hat.
Gab es die während des Konzerts störenden Geräusche eigentlich auch während des Applauses, oder komme diese nur während der musikalischen Darbietung vor? Ich mache mir eine Gedankennotiz, dies bei nächster Gelegenheit zu prüfen und eventuell wieder mit einem Namen von mir zu versehen.
Die Musik wird mittlerweile von einer Gesangssolistin begleitet und ich versuche mich wieder in ihr zu verlieren.
Klimper. Hüstel.
Diesmal ein böser Blick über die Schulter und kräftiges Kopfschütteln.
Schneuz.
Es ist Pause. Gott sei Dank. Ich war mir nicht mehr ganz sicher, ob ich mich noch voll im Griff hatte. Ab zur Labstelle des Hauses und ein Glaserl Sekt zur Beruhigung bestellt. Vielleicht sollte das Haus eine Runde ausgeben, um all die trockenen Kehlen zu befeuchten und so allen Zuhörern ein uneingeschränktes Musikerlebnis zu garantieren. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das nur dazu führen würde, dass zumindest die Damen laufend aufstehen und zur Toilette gehen müssten. Die Herren würden sich mit mehr oder weniger geräuschvollem Aufstoßen begnügen. Also kein Sekt für alle.
Die Glocke mahnt zum Einnehmen der Plätze. Und Teil zwei des Abends kann beginnen. Wieder nimmt mich die Musik mit ihren ersten Tönen mit auf eine wunderschöne Reise in eine Welt voller Harmonie. Breitet ihre Schwingen im Raum aus und umschmiegt mich. Wohlige Wärme breitet sich im Körper aus. Die Musik manifestiert sich bereits körperlich. Und ich genieße es.
Räusper.
Wir schreiben etwa zehn Sekunden nach Wiederbeginn. Das könnte ein neuer Rekord sein. Und das Schlimmste dabei, ich bekomme selbst einen trockenen Hals. Die Trockenheit breitet sich aber nur im Rachen und im Hals aus. Die Feuchtigkeit aber konzentriert sich im Mund. Ich laufe Gefahr überzulaufen, also schlucke ich und erwarte in erboste Gesichter zu blicken. Aber anscheinend stört das Geräusch des Hinunterschluckens weit weniger als es viele andere tun.
Klimper.
Gedanklich belege ich mittlerweile viele der Gäste mit Hausverbot aus verschiedenen Gründen, wie zum Beispiel, dass das Tragen von Klangkörper am Körper nur Mitgliedern des Orchesters vorbehalten ist. Ich entwerfe auch bereits Tests, mit denen das Publikum vor Eintritt auf Eignung zum Stillsitzen überprüft wird. Und um all jenen die hier durchfallen, also geschätzte 80%, die Möglichkeit eines schönen Konzertabends nicht vorenthalten zu müssen und allen anderen, also den restlichen 20%, den Abend nicht zu vermiesen, könnten eigene abgetrennte Bereiche im Saal geschaffen werden, die hermetisch vom restlichen Publikum abgeschirmt sind. Oder sie bekommen eine CD an der Kasse für zu Hause.
Knaaaarz.
Der Versuch das Knarzen als Teil des Gebäudes zu sehen und ihm keine weitere Beachtung zu schenken, scheitert sang- und klanglos. Zudem wird die eigene Sitzposition unbequem. Ich versuche mich mit dem Wohlklang der Musik abzulenken.
Hust. Schneuz. Röchel.
Ich kann nicht mehr anders als mich nur noch auf die Störgeräusche zu konzentrieren. Die Musik gerät völlig in den Hintergrund. Ich warte gebannt auf die nächste Störung und versuche zu erraten, was es sein wird. Husten, Räuspern, oder Sesselrücken, was kommt als nächstes? Zusätzlich baue ich mir gedanklich ein Zählwerk, das bei jeder Störung umblättert, wie auf einer Anzeigetafel im Flughafen. Kaum eingerichtet muss ich das Zählwerk um eine Zehnerstelle erweitern. Ich verfeinere und lege für jede Kategorie eine eigene Zeile in der Anzeigetafel an. Husten, Räuspern, Knarzen und Diverses. Dahinter das jeweilige Zählwerk. Nach wenigen Minuten ist Räuspern fast uneinholbar an der Spitze, gefolgt von einem spannenden Zweikampf um Platz zwei zwischen Husten und Knarzen. Diverses liegt abgeschlagen auf Platz vier. Dafür bezahle ich also.
Klimper. Knarz. Hust.
Zwischendurch vernehme ich noch Musik, aber erfreuen kann ich mich daran nicht mehr.
Hüstel.
Vielmehr steigert sich meine Aggression ins Unermessliche.
Knaaaaarz.
Krampfhaft versuche ich
Räusper.
mich auf die Musik
Schneuz.
Zu
Klimper.
konzentrieren…
Schneuz. Röchel. Hust. Klimper. Räusper.
Ich kann nicht mehr! Es ist zu viel für mich!
Ich springe auf und schreite unter lautstarker Beschimpfung des körperkontrollunfähigen Publikums zur Türe, reiße diese auf und blicke in aufgebrachte Gesichter. Es ist mucksmäuschenstill, keiner wagt auch nur zu atmen. Was hätte ich für eine solche Stille während des Konzerts gegeben.
Ich bin noch in Gedanken und frage mich gerade, wie sie es nur so schnell geschafft haben so viele mir böse gesinnte Menschen hinter der Türe zu versammeln, stürzen sie sich auch schon auf mich. Billeteure, Sicherheitskräfte und selbst Servicepersonal begraben mich unter sich. Und plötzlich blitzt blank poliertes Metall auf und ich verspüre einen Schmerz in meiner Brust. Ich denke mir noch, aber mit Sektgläsern den Saal betreten ist verboten, schon spüre ich wie sich auf meinem Hemd etwas Warmes ausbreitet. Ich schreie.
Und ich wache auf. Schreiend springe ich auf und greife mir an die Brust. Der Fleck ist nicht zu übersehen und warm. Ebenso warm, wie man es von einem eben aus dem Mund ausgetretenen Speichel erwarten darf. Der den Fleck mit dem Mund verbindende Speichelfaden lässt keinen Interpretationsspielraum zu.
Ich nicke meiner Begleitung zu und verlasse das Konzert in einer Stille, die ein Publikum nie wieder erreichen wird.
Stille.
Stefan

Freitag, 25. Oktober 2013

1. Wiener Kaffeehaus Brief 2.0

„Fehlstart“

Schon wieder eine neue Serie? Ja, unsere Wiener Kaffeehäuser haben es sich verdient, eine eigene Serie im Rahmen der Wiener Briefe zu bekommen. Zumindest dachte ich das.
In die Serie der Wiener Kaffeehaus Briefe werden ausschließlich Briefe aufgenommen, die in einem selbigen entstanden sind. Nicht unbedingt digital, da es zumeist an der technischen Ausstattung mangelt, was auch nicht  wirklich stört. Ganz im Gegenteil, dass Abgeschnitten sein von der immer präsenten digitalen Welt kann auch Mal ganz entspannend sein. Und eine Zeitung auf Papier von vorne bis hinten ungestört durchzulesen hat fast was Meditatives.
Aber die Serie startet mit einem klassischen Fehlstart. Ich überlege mir, die Serie auch gleich wieder einzustellen. Aber lest selbst.
Kaum in einem der so bekannten traditionellen Wiener Kaffeehäuser angekommen, gibt’s auch gleich kein Frühstück mehr. Es würde mich auch nicht weiter stören, wenn ich eine Stunde nach Frühstücksschluss gekommen wäre. Wobei man natürlich trefflich drüber streiten könnte, ob es notwendig ist den Verkauf einer speziellen Kombination von Speisen, als mehr sehe ich ein Frühstück nicht an, nach einer gewissen Uhrzeit einstellen zu müssen. Mir erschließt sich der Mehraufwand nicht. Anderen offensichtlich auch nicht, da man vielerorts bereits bis spät in den Nachmittag ein Frühstück serviert bekommt.
Wie gesagt, wenn es da eh eine Küche gibt, wo ist da der Aufwand? Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Nein, das stimmt natürlich nicht, ich lasse mich ganz und gar nicht gerne eines Besseren belehren. Aber ihr könnt es gerne versuchen, nur bitte nicht beleidigt sein, wenn ich es ignoriere ;-).
Bis 11:00 gibt es Frühstück in besagtem Kaffeehaus und ich bin ein paar Minuten vorher angekommen. Bis mich der Kellner dann gefunden hat, war es gut und gerne 5 (in Worten: fünf) Minuten nach elf. Maximal.
Ich weiß, für einen Deutschen würde sich die Frage nach einem Frühstück jetzt gar nicht mehr stellen, weil es ja schon nach 11 ist. Aber bei uns in Österreich sollte das alles ein bisserl entspannter ablaufen. Wir sind nicht so überkorrekt, dachte ich, aber anscheinend hab ich mich getäuscht.
Wie gesagt, ich verstehe es, wenn ich ¼, eine ½ oder gar 1/1 Stunde nach dem Frühstücksende komme. Aber wenn ich quasi eh pünktlich bin und nur das Service es nicht schafft, mich rechtzeitig zu bedienen, oder die Küche keine Lust mehr hat Geschirr anzupatzen, dann, ja dann bin ich sauer.
Und um dem Café  etwas zu Fleiß zu tun, bin ich nicht aufgestanden und gegangen. Das wäre zu einfach. Nein, ich hab mir einen kleinen Mocca bestellt und bin sitzen geblieben. Für alle jene die nicht so oft ein Wiener Kaffeehaus besuchen, man bestellt hier keinen Cappuccino, Espresso oder gar Latte Macciato. Hier gibt’s Mocca, kleine oder große Braune, Verlängerte, Einspänner,…
Noch eine Bitte an meine lieben Deutschen, bitte, bitte, bestellt keinen Kaffee und schon gar nicht mit der Betonung auf die ersten Silbe. Was soll Kaffee sein? Das ist gerade so, als ob man in einen Computerladen geht und nach einem Computer fragt. Oder für meine weiblichen Leser, in einen Schuhgeschäft nach einem Schuh fragt. Das macht doch keinen Sinn, oder? Ihr werdet sofort Opfer des bekannten Grant des Wiener Kaffeehauskellners und seit selber dran schuld. Aber dazu bestimmt ein anderes Mal mehr.
Ich sitze also bei meinem kleinen Mocca und schreibe diesen Brief in mein neues, in neudeutsch, Notepad. Aber auch dazu bestimmt ein anderes Mal mehr. Ich sitze also zu Fleiß im Kaffeehaus bei einem einzigen kleinen Mocca und denke, mich damit an der Weigerung mir ein Frühstück zu bringen, rächen zu können. Weit gefehlt. Dafür sind unsere Kaffeehäuser sogar bekannt, dass man hier Stunden lang sitzen, schreiben, lesen oder was auch immer machen kann, ohne dem Konsumzwang unterliegen zu müssen. Siehe auch p.s.
Das war schon immer so und wird hoffentlich auch noch lange so bleiben. Viele große Meisterwerke haben in einem Wiener Kaffeehaus ihr Licht der Welt erblickt und jetzt auch ein Wiener Brief ;-).
Stefan
p.s. Mein Konsumentationskoeffizient lag bei 3 €/h und die viel wichtigere Konsumentationskennziffer bei 0,75 €/(h x Sitzplatz). Und das sind Werte, die nur in Wiener Kaffeehäusern erreichbar sind. Falls die Kennzahlen nicht bekannt sein sollten ist das nicht weiter schlimm, da ich die gerade eben ersonnen und folgendermaßen definiert habe:
Konsumentationskoeffizient = Gesamtkonsum / Gesamtaufenthaltsdauer
Konsumentationskennziffer = Konsumentationskoeffizient / blockierte Sitzplätze
Wichtig bei der Ermittlung der beiden Kennzahlen ist, dass es keine Versuche des Personals geben darf, einem den weiteren Aufenthalt zu vermiesen. Also keine bösen Blicke, oder zwischendurch mal den Tisches abwischen und alles auf den Schoß des Gastes wischen, oder gar fragen, ob man nicht zahlen will.
Aber es war nicht nur die Niederschrift des ersten Wiener Kaffeehaus Briefes der meine Kennzahlen dermaßen in den Keller gehen ließen, da war auch noch ein Liebesbrief an meine Süße dabei. Aber der ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und benötigt noch einen Feinschliff…
p.p.s. Die Bettlerquote war mit 3 Bettler/Stunde dafür höher als sonst wo. Aber auch dazu bestimmt ein anderes Mal mehr.

Montag, 21. Oktober 2013

19. Wiener Brief 2.0

„Im Kino“

Eigentlich wollte ich heute eine neue Serie mit „Wiener Kaffeehaus Briefen“ starten, aber ich hab’s nicht geschafft, neben dem Frühstück, dem Kaffee und der Zeitung einen Brief zu schreiben (falls es interessiert, ich hatte heute Urlaub). Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Deshalb geht’s heute mit dem Brief ins Kino. Ich war immer ein begeisterter Kinogeher. War, richtig. Das hat zum einen damit zu tun, dass ich es nur mehr einer kleinen Auswahl an Filmen zutraue, mich im Kino zu unterhalten und zum anderen mit den mittlerweile schon fast unverschämten Preisen.

Aber genau die Preise sind es, zumindest dachte ich mir das, die nur noch ein Publikum in die Kinos locken, die den Film sehen möchten. Falsch gedacht.

Da gönnt man sich einen Film gedreht in überzeugender Technik, projiziert auf eine überdurchschnittlich große Leinwand und untermalt von einer von Kraft und Klarheit nur so strotzenden Musikanlage, die viele Konzertanlagen in den Schatten stellt. Und dazu noch mit einem Inhalt, der einem interessant erscheint.

Die Rahmenbedingungen könnten also nicht besser sein. Nur leider wurden mehr als unsere zwei Karten für den riesigen Saal verkauft. Bei den Preisen dachte ich eigentlich, dass ich das Kino exklusiv für uns hätte ;-). Aber auch die Kinobetreiber haben es schwer, deshalb verstehe ich es, dass sie den Saal halbwegs voll machen wollten. Das ist ja ok.

ABER, warum müssen die den Saal mit Leuten voll machen, die entweder das erste Mal in einem Kino sind und sich deshalb auch ständig bemüßigt fühlen ihre neuen Sinneseindrücke allen kund zu tun. Oder mit Leuten, die glauben, nur weil sie sich den Film bereits zum x-ten Mal ansehen, trifft das auf alle im Saal zu und verstehen gar nicht, wie es sein kann, dass man den weiteren Verlauf des Films nicht kennen kann und etwas verschnupft reagieren, wenn man sie drauf Aufmerksam macht, dass die meisten Besucher den Film zum ersten Mal sehen.

Dann gibt’s da noch die die glauben, dass sie alle ihre Freunde mit denen sie ins Kino gekommen sind unterhalten müssen. Unabhängig davon, ob die gesamte Clique zusammenhängende Plätze bekommen haben, oder im ganzen Kino verstreut sitzen.

Was ist bloß aus dem Kinoproblemen der Vergangenheit geworden, als man sich noch darüber ärgerte, dass ausgerechnet der mit Abstand größte aller Besucher der Vorstellung den Platz vor einem hatte. Oder war das nicht der Fall und der Typ setzte sich schräg vor einem hin, wusste man, dass der spätestens zu Beginn des Films seinen Platz mit seiner Freundin wechselte und so wieder direkt vor einem saß.

Damals klopfte man seinem Riesen freundlich auf die Schulter und frage, ob er sich ein bisserl kleiner machen könne. Was in der Regel auch nie ein Problem war. Machst Du heute jemanden darauf aufmerksam, dass Du gerne den Film sehen würdest, für den Du gerade ein kleines Vermögen ausgegeben hast, die Naschereien sind da noch gar nicht berücksichtigt, so musst Du froh sein, wenn Du nur eine patzige Antwort erhält. In jedem Kino in Wien würde ich mich das nicht mehr trauen.

Ich kaufe mir mittlerweile immer eine kleine Packung Popcorn, obwohl ich die gar nicht so mag. Aber die eignen sich hervorragend als Wurfgeschosse auf dauerquasselnde Störenfriede. Das nächste Mal gehe ich in einen Film der mich Nüsse interessiert und werde mich mit der 2 Kilo Jumbo Popcorn Tüte auf magazinieren ;-) .

Stefan

Freitag, 18. Oktober 2013

18. Wiener Brief 2.0


„Das Buch“
 
Ja, es gibt mich noch. Es ist schon wieder ganz schön viel Zeit seit meinem letzten Eintrag vergangen, aber ich bin noch da. Ich war und bin zurzeit sehr beschäftigt. Das hat nur peripher mit meinem Arbeitgeber zu tun, aber auch er hält mich in den letzten Wochen ganz schön auf Trab.
 
Die meiste meiner spärlichen Freizeit verbringe ich aktuell mit meinem neuen Buchprojekt. Ich möchte hier und jetzt noch nicht zu viele Details offenlegen, aber ich kann schon jetzt sagen, dass es fabelhaft wird ;-).
 
Und so wie es aussieht, werde ich es schaffen, dass es noch vor Weihnachten fertig ist. Das heißt für euch, dass einem gesegneten Weihnachtsfest mit einem tollen Buchgeschenk nichts mehr im Wege steht ;-).
 
Und falls mein Plan aufgeht und sich das Buch so erfolgreich verkauft, dass ich damit für mein und das Leben meiner Süßen ausgesorgt habe, dann hab ich auch wieder mehr Zeit hierfür und die Frequenz der Veröffentlichungen im Rahmen der Wiener Briefe sollte sich deutlich steigern. Ob man das überhaupt will ist eine andere Frage. Die ich aber auch gar nicht gewillt bin zu stellen.
 
Geht mein Plan nicht auf, so bedeutet das natürlich nicht das Ende der Wiener Briefe. Nein, nur kann es sein, dass ich dann ein bisserl beleidigte Leberwurst spiele und meine Leser mehr als sonst beleidige. Das bitte dann nicht persönlich nehmen, sondern wie ein Mann damit leben (ok, das mit dem Beleidigen fängt anscheinend schon an ;-) ).

So, das war wohl der mit Abstand kürzeste Wiener Brief, aber ich habe keine Zeit!
 
Stefan

Mittwoch, 9. Oktober 2013

17. Wiener Brief 2.0

„Geplante Obsoleszenz

Was für ein schönes Thema für einen Wiener Brief. Das ist zwar jetzt kein Thema das sich örtlich fest machen lässt und damit auch keinen engeren Bezug zu Wien hat, aber nachdem ich, ja richtig gelesen, ich der Betroffen bin, passte es schon ganz gut in einen Wiener Brief.

Aber zuvor noch ein Hinweis in eigener Sache: Ich hab Kommentare. Zwar nur auf Facebook, aber jeder beginnt mal klein ;-). Und ich hab nicht nur Kommentare, sondern die Kommentare sind von realen Menschen (und die Personen dahinter sind nicht alle alter egos vom Autor). Die Kommentare meiner Süßen in der Vergangenheit möchte ich damit nicht schmälern, aber sie ist für mich nach wie vor nicht real (das sollte ein verklausuliertes Kompliment sein). Und Kommentare bedingen nun mal Antworten. Und das Beantworten bedingt Zeit. Und Zeit, ähm ja, Zeit ist da, einfach so, man muss sie sich nur nehmen, kostest auch nichts, also bis dato. Also was ich damit eigentlich sagen wollte ist, dass ich mit dem  Antworten eine Zusatzaufgabe habe und vielleicht nicht mehr so regelmäßig Neues erstelle, weil ich Altes beantworten muss, ähm darf natürlich.

Um uns dem Thema des heutigen Briefes zu nähern, schlage ich mal kurz bei Wikipedia nach.

Bei der geplanten Obsoleszenz wird die Lebensdauer eines Produkts künstlich reduziert. Produkte verfallen also schneller als technisch möglich wäre.

Das Korpus Delikti in meinem Fall ist, falsch, war, ist ja schon kaputt und damit tot für mich, eine elektrische Zahnbürste. Und zwar eine von den teuren, weil ich immer noch so denke, dass teuer besser ist. Ich weiß, stimmt so nicht, aber ich tu mir da persönlich einfach sehr schwer, zu einem Produkt zu greifen, dass es in einer anderen Variante mit noch viel mehr an Ausstattung und Funktionen gibt. Da treibt mich so etwas wie der Produktneid. Ich wäre es allen anderen neidig, die die bessere Variante besitzen und mir dann auch noch unter die Nase halten müssen. Und es kann ja sein, dass ich genau die eine Funktion einmal brauche, die die teurere (und damit bessere) Variante hat, nur meine Billigvariante nicht.

Ein gutes Beispiel, auf das ich immer wieder gerne zurückgreife, ist die Wasserwage. Jeder kennt die in einen Balken eingelassene Libelle, die wiederum eine Flüssigkeit mit Lufteinschluss enthält. Die Konstruktion in Kombination mit der Schwerkraft ermöglicht es einem, eine horizontale bzw. vertikale Linie zu bestimmen. Die Abweichung zum Ideal ist meist vernachlässigbar und basiert auch meist auf Anwendungsfehler. Aber warum sollte man eine so simple, millionenfach bewährte Lösung kaufen, wenn es das Ganze auch zum Zehnfachen Preis gibt? Richtig, weil das Ding mit einem L.A.S.E.R (Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation) arbeitet. Und falls man mal einen horizontalen Strich in einem Zug im ganzen Raum machen möchte, warum ist hier egal und wird nicht bewertet, weil man es mit dem Ding einfach machen könnte. Und das ist eine Geschichte die zeigt, dass ich mit meinem Produktneid nicht ganz alleine bin, da dies eine Geschichte vom Foiz ist. Danke.

Weiter zu meiner Zahnbürste. Ich kaufe also vor etwa einem Jahr das Beste, ja richtig, das Teuerste was es am Markt gibt, in der Hoffnung, dass Beste gekauft zu haben. Und was soll ich sagen, es war wirklich gut. Ob es das Beste war kann ich noch nicht beurteilen, da fehlen mir noch eindeutig Vergleichswerte. Aber wie gesagt, sie war gut und ich zufrieden.

Nach etwa einen Jahr musste sie in immer kürzeren Intervallen geladen werden und gab schließlich endgültig den Geist auf. Da ich jetzt nicht der ordentlichste Mensch bin, hab ich natürlich die Rechnung nicht mehr gefunden. Aber es gibt ja immer noch das Entgegenkommen. Zumindest hab ich schon mal davon gehört. Also schreib ich an den Kundendienst in ausgesprochen höfflicher Form und weise selber schon auf den Umstand der nicht auffindbaren Rechnung hin.

Kurz zusammengefasst, es gibt kein Entgegenkommen nur Schlaumeier-Tipps. Ich könne zum Beispiel im Internet nur nach dem Handstück suchen und nur dieses erneut käuflich erwerben. Danke für den Tipp. Nur leider kostet das Set das ich erworben hab etwa 20 Euro mehr als nur das Handteil. Oder ich könnte das Teil zur Reparatur geben. Auch ein guter Tipp, vor allem, weil sie gleich dazu schreibt, dass sie es als Hersteller nicht machen. Und weil das Teil so konstruiert wurde, dass es nicht reparabel ist. In der Beschreibung (die hab ich mir aus irgendeinem mir jetzt nicht mehr nachvollziehbarem Grund aufgehoben) ist sogar beschrieben, dass man das Teil mit nem Hammer zerstören muss, um an die Akkus zu kommen, damit man diese umweltgerecht entsorgen kann. Da hört es sich dann auf.

Aber selbst wenn ich die Rechnung noch hätte und mir das Teil getauscht werden würde, es kann doch nicht sein, dass so simple Dinger, die früher ewig gehalten haben (zugegebenermaßen kann dies speziell im Mundhygienebereich auch nachteilige Effekte haben), heut zutage so schnell kaputt gehen. Vor allem, wenn sich der technische Fortschritt und der Funktionsumfang in einem überschaubarem Maß bewegen.

Ich möchte aus Fairness-Gründen den Namen der Firma nicht nennen, das kann ja jedem mal passieren, aber falls ich mal einem Kind einem Namen geben soll, wird es ziemlich sicher nicht Philip heißen.

Mittlerweile bin ich stolzer Besitzer einer neuen elektrischen Zahnbürste. Stolz auch deshalb, weil ich über meinen Schatten gesprungen bin und nicht mehr zum teuersten, oder in diesem Fall zweitteuersten Produkt gegriffen habe. Ein vielfacher Testsieger mit vielen positiven Bewertungen im Netz haben mich überzeugt. Bis jetzt. Und neuer Hersteller aufgepasst, ich mir die Rechnung aufgehoben ;-).

Stefan
 
p.s.: Warum hat mich eigentlich niemand darauf aufmerksam gemacht, dass ich seit dem 8. Wiener Brief den Zusatz 2.0 vergessen hab? Wie soll man da den Wiener Briefe von den Wiener Briefen 2.0 unterscheiden? Spart euch jetzt die Mühe, ich hab's schon nachgetragen und korrigiert.

Montag, 7. Oktober 2013

16. Wiener Brief 2.0

„Blondie und die Warteschlange“
 
Zurück in Wien. Aber nur zum Teil, da ein guter Teil des Briefes noch in Sardinien spielen wird. Aber lest selber.
 
Dass der Mensch nach wie vor ein Herdentier ist und über weite Strecken seines Lebens davon bestimmt wird, lässt sich nicht von jedermann bzw. jederfrau leugnen.
 
Wir kommen am Flughafen von Olbia an und stellen uns, ohne viel darüber nachzudenken, an das Ende der Warteschlage für den Check-In nach Wien. Die Schlange ist mit etwa 30 Personen vor uns noch nicht so lange, dass man sich aufregen müsste, da man auch noch üppig Zeit bis zum Abflug hat. Und der Flughafen von Olbia hat auch nur ein beschränktes Angebot, um die Zeit tot zu schlagen. Und es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Wartenden bei zwei geöffneten Schaltern abgearbeitet wurde.
 
Und hier tritt das erste Mal so etwas wie ein Fragezeichen im Kopf einer neu zur Warteschlange stoßenden jungen Mutter (oder Schwester) von zwei Kindern und massig Gepäck auf einem Wagerl auf. Man kann es formlich sehen wie sie sich anstrengt und sich folgende Frage im Inneren ihres von blondiertem Haar geschützten Köpfchen formt: „Wieso steht denn da niemand beim zweiten Schalter an???“. Ich hab extra drei Fragezeichen gemacht, weil das Denken offensichtlich sehr anstrengend war und die Antwort auf sich warten ließ. Noch etwas unsicher, aber trotzdem zielstrebig in Richtung zweiten Schalter unterwegs, lässt sie die Warteschlage links liegen (im konkreten Fall war es rechts, aber das tut ja jetzt eh nichts zur Sache, ich wollte nur mal wieder einen Kommentar anbringen, ansonsten würde sich das Ganze ja viel zu flüssig lesen ;-) ) und grübelt nach wie vor an der Frage. Vorne am Schalter angekommen bezieht sie einmal Position, um die Sachlage zu sondieren und in Ruhe über die Lösung der Frage zu sinnieren. Das geht eindeutig besser, wenn man nicht gleichzeitig ein Wagerl mit Gepäck schieben muss. Die Kinder im Schlepptau sind überraschend ruhig und nehmen die Schwierigkeiten ihrer Begleiterin nur peripher wahr. Stören also nicht beim Denken, falls sich einer darauf ausreden möchte ;-).
 
Die Warteschlange ist noch überraschend ruhig und lässt Blondie (ja, ist jetzt eindeutig abwertend und auch so gemeint, obwohl sie wahrscheinlich nichts dafür kann) mal einfach dort stehen. Selbst jene, die als nächstes am zweiten Schalter dran kommen verhalten sich ruhig. Aber es geht ja auch keiner davon aus, dass sich Blondie jetzt an allen vorbei an den zweiten Schalter stellt und glaubt als nächstes dran zu kommen. Das wäre zu weit hergeholt. Auf der anderen Seite darf man schon auch diejenigen die die Spitze der Warteschlange bildeten kritisieren, da sie einem offensichtlich hilflosen Wesen nicht die gebührende Hilfe angedeihen haben lassen.
 
Die Antwort auf die bis dato ungelöste Frage von Blondie wurde aber auch ohne viele Worte durch das Vorrücken der nächstgereihten in der Warteschlange zum zweiten Schalter beantwortet. Nur begleitet von bösen Blicken, als sich Blondie wirklich anschickte ihr Wagerl zum zweiten Schalter zu schieben.
 
Nun kann man natürlich darüber diskutieren, ob das System mit nur einer Warteschlange das effizientere ist oder nicht. Aber nicht zu diskutieren ist, dass es das fairste System ist. Man kommt genau in der Reihenfolge dran, wie man sich angestellt hat. Nicht früher, aber auch nicht später. Diese Warteschlange ist mit dem FIFO Speicherkonzept vergleichbar. First in first out. Der einzige wirkliche Nachteil dieser Variante ist, dass der Raum für die Wartenden nicht optimal genutzt werden kann. Zumindest nicht ohne die Warteschlange in vorgegebene, geordnete Bahnen zu lenken.
 
So kommt es, dass Blondie das Konzept der einen Warteschlange zumindest vorläufig verstanden hat und macht sich zurück am Weg zum Ende der Warteschlange, das mittlerweile natürlich erheblich weiter hinten liegt, als dies bei der Ankunft von ihr der Fall war.
 
Just in diesem Moment wird vom Personal die zweite Schlange eröffnet, weil die Warteschlange bereits den halben Terminal durchläuft. Blondie dreht sich, gerade am Ende der Schlange angekommen, um und kann es nicht glauben. Gerade eben wurde ihr das Konzept klar und im selben Moment löst sich die gesamte Erkenntnis wieder in Luft auf.
 
Es ist nicht immer einfach sich in der Welt zurecht zu finden und schon gar nicht, wenn sich alles ständig ändert. Aber sobald sich das System der einen Warteschlange bei uns durchgesetzt hat, wird das Leben von so manchem einfacher. Bei unserer Post kann man da schon anfangen zu üben, falls man sich noch unsicher sein sollte. In der Hoffnung, dass sich noch mehrere Nachahmer und Nachmacher des Systems bei uns finden, verbleibe ich mit lieben Grüßen,
 
Stefan

Mittwoch, 2. Oktober 2013

6. Sardischer Brief 2.0

Da geht’s aber ab zurzeit, fast täglich ein neuer Brief. Es ist ja auch viel passiert und wenn ich es nicht bald niederschreibe vergesse ich die Hälfte (auch wenn es der eine oder andere nicht wirklich glauben kann, bei der Anzahl von Briefen).

Ich bin ab sofort dazu übergegangen, den Briefen eine Unterüberschrift zusätzlich zur Nummerierung zu geben. Das hängt auch mit der seit kurzem verfügbaren Zugänglichkeit der Briefe via Facebook zusammen. Und die dortige Formatierung macht eine solche Unterüberschrift sinnvoll. Mal sehen wie lange ich das fortsetzen werde. Und da ich mich erst jetzt, also während dem Schreiben, dazu entschlossen habe, gibt’s die erste Unterüberschrift hier mitten im Text (beim nächsten Brief wird die dort sein, wo sie hingehört, nämlich ganz oben).
Sardinien. Eine Zusammenfassung
Viel wurde bereits in den vergangenen Sardischen Briefen geschrieben, vieles gäbe es noch zu erzählen. Aber da vieles von dem Geschriebenen schon grenzwertig für eine Veröffentlichung war, werde ich mich mit dem bis dato Erzähltem begnügen und nur mehr kurz zusammenfassen (das wäre wieder mal ein idealer Zeitpunkt eines Kurzbriefes, aber diese Ankündigung lasse ich heute lieber gleich sein, weil ich es eh nicht schaffen werde, mich kurz zu halten. Selbst die Kommentare in den Klammern sind schon wieder elendslang ;-) ).
 
Merke, eine Katze am Schoß verringert die Schreibgeschwindigkeit erheblich und lenkt ab. Wobei das Schurren echt entspannend wirkt…
 
Zusammenfasend kann eine absolute Empfehlung für die Insel abgegeben werden. Auch uns wird Sardinien wieder sehen. Irgendwann. Aber doch.
 
Hat man sich mit der, für Menschen die selbst aus einem touristisch dominierten Land stammen, also nicht aus Deutschland ;-), zumindest erklärungsbedürftigen Unfreundlichkeit arrangiert, oder lässt die meisten Einheimischen (oder diejenigen, die dort im direkten Kontakt mit den Touristen stehen) links liegen, so steht einem überdurchschnittlichen guten Urlaub nichts im Wege.
 
Wirkliche Gefahr droht weder zu Wasser noch zu Lande was die Tierwelt betrifft (unfreundliche Tiere begegneten uns nicht, ganz im Gegenteil). Auch wenn der eine oder andere Brief möglichweise das Gegenteil beweisen will, es bleibt nur ein vernachlässigbar kleines Restrisiko bestehen, dass man Opfer eines der wilden Tiere in Sardinien wird. Die Chance im sardischen Verkehr umzukommen, würde ich um ein Vielfaches höher einschätzen. Das gilt übrigens für alle Gebiete, in denen sich vorrangig Italiener in Kraftfahrzeugen bewegen dürfen.
 
Die sanitären Einrichtungen wurden auf einen europäischen Standard gebracht und sind nur mehr im Ausnahmefall Anlass zum Verzweifeln.
 
Leider hat sich auch auf Sardinien die Unart der deutschen Touristen (nicht die Österreicher ;-) ) durchgesetzt, sich seine bevorzugte Liege kurz vor Sonnenaufgang mittels Handtuch zu reservieren. Das ist für Langschläfer wie mich, die quasi direkt vom Bett ans Frühstücksbuffet wechseln, sehr ärgerlich, weil die besten Plätze bereits vergeben sind. Und nicht nur das, die besten Plätze werden auch im Laufe des Tages erst genutzt, weil die sind eh reserviert, da braucht man sich nicht beeilen und kann eventuell noch ein Schläfchen im Zimmer machen, sich die Zähne bleichen, mit der Oma telefonieren, vom Balkon die reservierte Liege beobachten, oder was weiß ich. Alleine der Gedanke daran macht mich echt aggressiv. Einzige Lösung für dieses Übel sehe ich in einer konsequenten Säuberung der Liegen durch das Hotelpersonal. Und zwar in der Form, dass sie die Handtücher nehmen und in einen exklusiv dafür zur Verfügung gestellten Pool schmeißen. Daraus dürfen sich dann der Kai-Uwe und die Janette ihre nassen Handtücher wieder raussuchen und auf einer der vielen freien Liegen ausbreiten.

Und hier gleich meine Entschuldigung für den doch tendenziell vorurteilsvollen Absatz. Natürlich machen das nicht nur meine deutschen Pappenheimer, die Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen. Italiener, Russen, Holländer, Belgier, um nur ein paar zu nennen. Und das Schlimmste, diese Unart ist anscheinend ansteckend und vererblich. Denn es sind nicht nur die Alten, nein, mittlerweile haben sich auch die Jungen damit infiziert. Und am Schlimmsten überhaupt, ich hab am letzten Tag auch damit begonnen :-0 . Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät für eine Therapie. Falls jemand einen Tipp für Treffen der Anonymen Handtuchreservierer in meiner Nähe hat, bitte her damit.
 
Stefan