Es ist soweit, es ist vollbracht. Zwar nicht in aller
letzter Konsequenz, aber immerhin mit einer erstaunlich progressiven Erstphase.
Auch wenn man heute weder weiß, ob es in dieser Form weitergehen, in geänderter
Form fortgesetzt, oder ganz zurück an den Start geht, so finde ich es einen
durchaus mutigen Start.
DIE Einkaufsstraße in Wien, die Mariahilferstraße wurde
letzten Freitag (ich hab mal gehört, man sollte die Wendung „letzte“ in solch
einem Zusammenhang tunlichst vermeiden,
das könnte angeblich dazu führen, dass das Weltuntergangsverschwörer als
Auslöser verstehen könnten und sich in den Tod stürzen) zu einer Fußgängerzone.
Aber eben nicht die ganze Straße (falls es jemanden interessiert, wir sprechen
hier nur vom inneren Teil der Mariahilferstraße, der äußere Teil ist Teil der
Außenbezirke und somit per se uninteressant ;-) ).
Die Straße wurde in drei Zonen unterteilt. In der Mitte die
Fußgängerzone. Nur bitte die Bezeichnung dieser Zone nicht zu wörtlich zu
nehmen, da man ansonsten relativ rasch Opfer einer Radfahrers wird, dem die
Nutzung ebenso wie dem Linienbus zugestanden wurde. Eben jener hat eine eigene
Spur bekommen, die nun, um sie deutlich von den anderen Verkehrsflächen zu
unterscheiden, in herzhaften Rot schillert. All jenen die diesen rot markierten
breiten Strich entlang der Fahrbahn als roten Teppich missinterpretieren, oder
gar als neue von offizieller Stelle ausgewiesene Fläche verstehen, um ihre
Körper feil zu bieten, sei der Verwendungszweck des Strichs auf der Straße als
Busspur nochmals deutlich vor Augen geführt.
Die beiden Enden der Straße schließen sogenannte
Begegnungszonen ab. Noch nie gehört? Ich bis vor kurzem auch nicht. Aber die
Entscheidung des Umbaus der gesamten Straße in eine Verkehrsberuhigte vollzog
sich auch nicht von heut auf morgen. Und um dem grantelten Wiener die Maßnahme etwas
schmackhafter zu machen, wurde vorab versucht zu informieren. Und siehe da, da
wurde auch die Begegnungszone erklärt. Und wie man später noch erfahren wird,
war das gut so, dass ich zumindest die Grundidee schon mal gehört habe.
In der Begegnungszone, nomen est omen, begegnen sich die
verschiedenen Verkehrsteilnehmer. Toll, nicht? Aber der Unterschied zu den normalen
Verkehrsflächen ist jener, dass sich alle auf der gleichen Fläche begegnen
(also nicht bis zum Körperkontakt, sondern möglichst nur bis zu einem
Mindestabsabstand). Es gibt keine bauliche oder farbliche Trennung mehr. Jetzt
kann natürlich behauptet werden, das gibt’s eh schon sonst auch. Aber ich rate
dringendst von Selbstversuchen ab, dies auf normalen Straßen auszuprobieren, da
zieht der mit dem wenigsten Blech um sich herum immer den Kürzeren. In der
Begegnungszone ist aber jeder der Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt, ja
selbst die Verkehrsteilnehmerinnen ;-). Einzig die Rechtsfahrordnung (und ich
nehme an Rechtsgehordnung) und rechts vor links gilt. Und eine Höchstgeschwindigkeit
von 20 km/h (die Sprinter mögen sich bitte andere Straße zum Training
aussuchen).
Mein erster Lokalaugenschein am Freitagvormittag (Fenstertag
und damit für zumindest mich frei) zeigte deutliche Verunsicherungen auf der
Straße. Was darf ich, was nicht. Es zeigte sich aber, dass vor allem die
Fußgänger sichtlich mutiger wurden und große Teile der Fahrbahn nutzten. Was
sich für mich am Nachmittag als Nachteil meinerseits herausstellen sollte.
Wir planten nämlich eine Nacht in Graz zu verbringen und da
uns die Bahn aktuell nicht mehr mit konkurrenzfähigen Preisen und Reisezeiten
lockt, wurde für diesen Zweck ein Mietwagen ausgeborgt. Als in Wien lebende und
arbeitende Stadtmenschen wäre ein Auto zu besitzen weder ökonomisch noch
ökologisch sinnvoll. Für die paar Male im Jahr wird eines gemietet. Für einen
Garagenplatz (nein, ein öffentlicher Parkplatz in den inneren Bezirken ist
keine Alternative, da diese Form des Fahrzeugabstellens so gut wie vom
Aussterben betroffen ist und schon lange auf der rote Liste stehen sollte)
kostet mich mehr als ein langes Wochenende mit einem gemieteten Auto. Von den
sonstigen anfallenden Kosten rund ums KFZ gar nicht erst zu sprechen.
Also rein zum Autovermieter meiner Wahl und schnell das Auto
gecheckt. Alles rucki zucki. Nur die Fahrt in die Wohnung zur Verladung des
Gepäcks, wir übernachteten ja wie erwähnt einmal ;-), war nicht wie sonst. Eh schon
wissen, die Begegnungszone. Da fahre ich geschätzte fünf (in Ziffern: 5) mal im
Jahr mit nem Auto und ich hab nichts Besseres zu tun, als schnurstracks in die
neue Quasi-Fußgängerzone zu fahren die genau noch nicht mal einen Tag alt ist.
Alles andere wäre ein zu großer Umweg gewesen und hätte damit der Umwelt
geschadet ;-).
Und ich kann behaupten, dass diese Zone der Begegnung eine
wirkliche Herausforderung ist. Nicht weil ich einen zwar fast neuen aber auf
der Brust schwachen Wagen bekommen habe und ich nicht die 20 km/h schaffte, nein
das war kein Problem (in der 2en bei 4000 Touren). Aber die Fülle an
verschiedenen Verkehrsteilnehmern die nicht so genau wussten was sie durften
und ich, der wie gesagt nicht mehr so oft hinterm Steuer sitzt, war schon nicht
unspannend. Zum Glück hatte ich nur einen kurzen Abschnitt in jener Zone und
war heilfroh wieder draußen zu sein.
Zurück aus Graz mussten wir uns natürlich noch mit
Lebensmittel aller Art eindecken. Die große mich seit Jahren begleitende Angst
vorm unkontrollierten Abnehmen verfolgt mich nach wie vor. Und was liegt da
näher, als mit dem Auto in unsere neue Fußgänger-/Begegnungszone zu fahren, um
dort einzukaufen. Ich habe seit gut zwei Jahren kein Auto mehr und war seit
jeher ein Verfechter der Idee einer Fußgängerzone, aber kaum sitze ich in so
einem Ding drin negiert sich plötzlich alles und ich schimpfe und hupe mich im
Schneckentempo durch die Straße, die ich morgen bei meinem Weg von der Arbeit
nach Hause wieder als Fußgänger nutzen, lieben und als solcher verteidigen werde.
Ich wäre nicht mehr überrascht, wenn hinter der Erfindung
und Verbreitung des Autos eine größere, böse Macht stecken würde als gemeinhin
angenommen wird.
Stefan
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