Kaum jemand wird es wissen, da kaum einer kein Auto hat und
sich damit über solch Banalitäten keine Gedanken macht oder machen muss, aber
die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte was die immer größer werdenden
Baumärkte betrifft, trifft mich persönlich als autolosen Mitbürger. Denn mit
dem Wachsen geht die Absiedlung der Märkte Hand in Hand. Was auch nachvollziehbar
ist, weil die Riesendinger in der Stadt keinen Platz mehr haben, oder die
Flächen nicht mehr bezahlbar sind. Das heißt aber für einen Autolosen wie mich,
dass solche Märkte kaum noch erreichbar sind, da sie in der Regel keinen oder
nur einen sehr eingeschränkten Zugang zum öffentlichen Verkehr haben.
Was also tun, wenn man einen Kleinigkeit braucht, die aber
nur in einem Baumarkt zu bekommen ist? Am besten kombiniert man ein
Mietautowochenende mit dem Baumarktbesuch. Das bietet sich natürlich bei einem
umfangreicheren Einkauf an. Wobei man hier auf die Autoklasse die man bestellt
hat achten sollte.
Für unsere Zwecke hat es sogar ein mini Auto getan, da wir für
Verschönerungszwecke nur ein paar Quadratmeter an Verblendsteinen gekauft
haben. Blöd nur, dass die vorrätige Menge an diesen Gipsziegeln um genau einen
Karton zu gering war. Also wird der Karton bestellt und nicht weiter über das
Abholen nachgedacht. Kein wirklicher Fehler, aber beim nächsten Mal, also im
nächsten Leben, wird es anders gemacht.
Der Anruf kommt eher als gedacht, dass der Karton bereit
steht. Und er steht, das sollte ich eventuell noch erwähnen, am Arsch der Welt.
Bitte entschuldigt die derbe Wortwahl, die hat sich aber auch erst seit dem ich
den Karton abgeholt habe entwickelt. Bis dahin war es einfach der 23. Wiener
Gemeindebezirk.
Aber eine gute Vorbereitung vorausgesetzt, kann es wohl kaum
ein größerer Auftrag sein, das Packerl mit den Öffentlichen zu holen. Schon am
Morgen wird eine für geeignet befundenen wohl bekannte blaue Tragetasche
eingesteckt, die die Abmessungen und das Gewicht der Schachtel fassen kann. Mit
nur einmal Umsteigen ist man vom Büro beim Baumarkt und einen rechtzeitigen
Aufbruch vorausgesetzt, erreicht man ihn
auch kurz vor Kassaschluss.
Der Karton wird gesucht und gefunden, nur die Rechnung
meinerseits, die nachweisen soll, dass ich das schon bezahlt habe, finde ich
nicht. Kann ich auch nicht, weil die zu Hause liegt. Tolle Vorbereitung. Aber
meinen Fliesenabteilungsfachverkäufer lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe
bringen. Ein kurzer Stopp beim Informationsschalter und schon halte ich eine
neue Bestätigung, dass ich das Zeug schon bezahlt habe, in Händen.
Schnell noch den Karton mit den knapp 20 kg in der
mitgebrachte Tragetasche verstaut und ab zur Kassa. Weil der Markt schon
schließt, dauert das alles nur Augenblicke. Und schon bin ich unterwegs zur
Bushaltestelle.
Als gezielter Nutzer der modernen Technik werfe ich noch
schnell einen Blick auf die nächste Abfahrtszeit und muss mit entsetzten
feststellen, dass der nächste Bus der mich wieder näher an mein Zuhause bringen
soll, in drei Minuten fährt. Für den nächsten würde ich eine viertel Stunde
warten müssen. Das alles wäre kein Problem, wenn nicht eine vielbefahrene
Kreuzung vor mir liegen und ein Karton mit Gipsziegel mit ungefähr 25 kg auf
meiner Schulter lasten würde. Also nehme mich die Füße in die Hand und Laufe.
Leicht verschwitzt bei einer Außentemperatur von minus fünf
Grad Celsius, steige ich in den Bus und bin froh, die etwa 35 kg abstellen zu
können. Bei der U-Bahnstation angekommen, geht’s mindestens zwei Stockwerke
rauf, da hier das U in U-Bahn für „unglaublich hoch über der Erde fahrende Bahn“
steht. Ich stapfe also tapfer die Stufen rauf und höre schon wie sich die
U-Bahn nähert. Also nehme ich auch hier meine Beine in die Hände und Fliege
förmlich mit meinen 50 kg Gepäck über die Stiege. Und was soll ich sagen, ich
bin ganz froh, dass ich alles wieder für einen Moment abstellen kann und mich
geistig auf den nächsten Streckenabschnitt vorbereiten kann.
Wieder muss ich umsteigen und ganz nebenbei mit den knapp 75
kg auf der Schulter einen Schoko-Krampus besorgen. Also rein in den kleinen
Supermarkt und den wohl miesesten Schoko-Krampus wo gibt gekauft. Also der
mieseste war er erst, als ich ihn zu Hause aus der Tasche genommen habe, weil
er da flach wie eine Flunder war. Aber mies war er schon beim Kauf, weil ein
Nikolo drauf abgebildet war ;-).
Und wieder geht‘s über Treppen, diesmal zum Glück runter,
zur nächsten U-Bahn. Ja, diesmal in eine richtige Untergrundbahn. Die gut 100
kg zerren mittlerweile schon ganz heftig an der Schulter. Die Fahrt und
Erholungsphase ist jeweils kurz.
Die letzte Etappe steht vor mir und die zugleich größte
Herausforderung. Die Besteigung des Spittelbergs. Unter Extrembergsteigern ist
der Berg gefürchtet und hat schon eine fast unüberschaubare Anzahl an Opfer gefordert.
Ok, die meisten im Straßenverkehr oder am Glühweinstandl beim Christkindlmarkt,
aber trotzdem sollte man den Spittelberg nicht unterschätzen.
Ich schultere also meine fast 150 kg und mache mich auf zum
Gipfelsturm. Apropos Sturm, der bläst mir mit gefühlten 100 km/h ins Gesicht und
erschwert meinen Weg nach Hause beträchtlich. Aber der Sturm ist nichts im
Vergleich zu den Menschenmassen die mir entgegenströmen. Offensichtlich Anhänger
der Selbsthilfegruppe der „bekannten Alkoholiker, die aber nur in der Vorweihnachtszeit
auf einem der unzähligen, aber sehr schönen Adventmärkten in Wien trinken, und
fast nur ungenießbares warmes, klebriges Gebräu“. Alle schon etwas
angeschlagen, entweder vom Glühwein oder von meinem unförmigen 250 kg Klotz.
Aber ich schaffe es, ohne mir oder anderen größere Verletzungen zuzufügen und
bin sehr froh, dass die Eigentümer einen Lift ins Haus einbauen haben lassen.
Mir kommen noch kurz Zweifel, ob der Aufzug die gut 500 kg Last trägt, aber die
verfliegen, als der Lift anfährt.
Noch drei letzte Stufen und endlich kann ich den
tonnenschweren Karton zu seinen Brüdern stellen. Dort stehen sie nun in der
Hoffnung, dass sie bald mal an die Wand dürfen. Aber das ist eine komplett
andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll.
Dem aufmerksamen Leser ist eventuell beim genauen Studium
der Geschichte aufgefallen, dass sich da physikalische Ungereimtheiten
eingeschlichen haben. Aber so viel kann schon gesagt werden, diese, ich nenne
sie mal Phänomene, waren real. Und ich meine die dynamische Zunahme des
Gewichts, nicht die Trinker am Adventmarkt.
Ich habe bereits Proben der Verblendsteine ans CERN
geschickt, damit das Phänomen eine wissenschaftliche Grundlage erhält und
hoffentlich als „dynamisches Gewicht“ oder populärwissenschaftlich als „Gewicht
der Wiener Briefe“ in die Grundlagen der modernen Physik Einzug hält.
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