„Kulturerledigungsvermerk“
Das klingt jetzt im ersten Moment vielleicht abwertend, aber
eben nur im ersten Moment. Denn wichtig ist natürlich zu hinterfragen, für
welchen Zeitraum man einen solchen Vermerk versieht. Einmal im Leben, oder gar
täglich. Beides Extrema, zugegeben, aber nicht unüblich in unserer Welt. Ich
persönlich bewege mich, wie die breite Masse auch, irgendwo dazwischen, aber
tendenziell eher auf der Tages-Seites. Breite Masse hat in diesem Zusammenhang
übrigens nichts damit zu tun, dass ich damit ausdrücken will, dass eher dicke
Menschen Kulturgenießer sind.
Fehlt natürlich noch die Definition von Kultur. Ich erspar
mir wieder den Blick in Wikipedia, weil Kultur, wie auch der eng Verwandte
Begriff der Kunst, jeder für sich selbst definieren muss. Wobei es ja noch
nicht mal notwendig ist den Begriff für sich zu definieren, dass wäre nur
notwendig, wenn es sich hierbei um exakte Wissenschaften handeln würde. Dann
würde ich das aber auch von meinen Lesern konsequent fordern.
Die Begriffe Kultur und Kunst verschieben sich natürlich
auch mit den Jahren an Erfahrungen die man(n) so sammelt. Und hat man das
Privileg, dass einem von einem sehr lieben Menschen ein bis dato fast völlig
fremder Teil unserer Kultur näher gebracht wird, so ist das umso wirkungsvoller,
wenn jener eine sehr innige Beziehung zu diesem Teil pflegt beziehungsweise
pflegte.
Ich war also im Ballett. Schon wieder. Aber natürlich nicht
irgendein Ballett, sondern ein Russisches. Ok, jetzt weiß ich es auch, Russland
scheint fast ausschließlich aus Balletttänzern zu bestehen. Mittlerweile frage ich
mich, ob Ballett nicht nur ein Synonym für Russisch ist. Aber trotzdem muss man ihnen zugestehen, dass
sie die Tanzerei echt drauf haben. Selbst wenn es nicht die Top A
Kampfmannschaft in der Champions League ist.
Leider war der Rahmen der Veranstaltung nicht ganz
angemessen, weil ein Ballett in die Oper gehört. Und die Wiener Stadthalle ist
nun mal einige Längen davon entfernt, ein Opernhaus zu sein. Was heißt hier
Längen, diese Maßstäbe müssten erst eingeführt werden, um den Abstand der
Stadthalle zu einer, zum Beispiel Staatsoper, zu beschreiben. Machte aber
nichts, weil wir eh ganz vorne gesessen sind und quasi den Schweiß auf der
Stirn der Tänzer sehen konnten. Und durch das nicht ganz so förmliche Ambiente,
war es auch nicht so schlimm, dass ich ab und zu, ok, des Öfteren, ein paar
Anmerkungen loswerden musste. Sekt steigt mir halt immer gleich zu Kopf und
verursacht dort quasi direkt in der Schaltzentrale Unfug. Und wenn der nicht umgehend
entsorgt wird, am besten und schnellsten oral, dann läuft man(n) Gefahr, dass
der Blödsinn ein ganzes Leben lang drinnen bleibt und sich mit neu
hinzukommenden Nonsens verbindet, irgendwann sich materialisiert und so den
Schädel sprengt. Also lieber raus damit.
Bemerkenswert zur Vorstellung ist, dass es fast nicht zu
glauben ist, wie viel weniger störend die Mitmenschen im Publikum wirken, wenn
es zusätzlich zum Audio-Reiz einen visuellen gibt. Also im Vergleich zum
klassischen Konzert, dass wir vor einigen Wochen besucht haben (man sieht, wie
hoch die Kulturerledigungsvermerksetzung wirklich ist), war das Publikum in
dieser Veranstaltung so gut wie nicht existent für mich. Das mag daran gelegen
haben, dass das Dargebotene fesselnder war, oder eben der zusätzliche visuelle Reiz
vorhanden war, oder gar, weil sich das Publikum einfach besser im Griff hatte.
Die Möglichkeit, dass ich das Publikum im Ballett als viel weniger störend
empfunden habe, weil ich die ganze Zeit gestört habe, ignoriere ich nicht mal geflissentlich.
Dass wir eine Vorstellung der nicht ganz Top-Liga
Balletttänzer sehen war klar, erstens kennt sich meine Süße damit bestens aus
und zweitens mussten die armen Jungs und Mädels ja offensichtlich den
Bühnenumbau immer selbst übernehmen. Da spielte die Musik schon, sah man noch
für einige Minuten die kleinen und größeren Füßchen im kleinen Schlitz des Vorhangs herumsausen.
Ich nehme mal an, dass die die Kosten ihrer Tournee so gering wie möglich
halten wollten und so Bühnenarbeiter und Putzpersonal eingespart haben. Und sie
dürften das auch nicht zum ersten Mal gemacht haben, denn man hörte nichts quietschen
oder scheppern. Ein bisserl früher sollten sie halt mit der Aufbauarbeit
beginnen und während der Pause nicht Pause machen und Tee trinken, sondern
gleich mit dem Umbau anfangen.
Einzig den Mann am Vorhang-auf-und-zu-Knopf würde ich in
Zukunft wieder von einem Profi besetzen. Ein noch schnell von der Straße mit
der Aussicht auf etwas Wodka rekrutierter Mitbürger ist damit offensichtlich
überfordert. Aber wahrscheinlich auch nur deshalb, weil er erst nach der
Vorstellung den Alkohol bekommen hat. Das hätte ich mit meinen zwei Glaserln
Sekt besser hinbekommen ;-).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen