Montag, 25. November 2013

24. Wiener Brief 2.0

„Kulturerledigungsvermerk“
 
Das klingt jetzt im ersten Moment vielleicht abwertend, aber eben nur im ersten Moment. Denn wichtig ist natürlich zu hinterfragen, für welchen Zeitraum man einen solchen Vermerk versieht. Einmal im Leben, oder gar täglich. Beides Extrema, zugegeben, aber nicht unüblich in unserer Welt. Ich persönlich bewege mich, wie die breite Masse auch, irgendwo dazwischen, aber tendenziell eher auf der Tages-Seites. Breite Masse hat in diesem Zusammenhang übrigens nichts damit zu tun, dass ich damit ausdrücken will, dass eher dicke Menschen Kulturgenießer sind.
 
Fehlt natürlich noch die Definition von Kultur. Ich erspar mir wieder den Blick in Wikipedia, weil Kultur, wie auch der eng Verwandte Begriff der Kunst, jeder für sich selbst definieren muss. Wobei es ja noch nicht mal notwendig ist den Begriff für sich zu definieren, dass wäre nur notwendig, wenn es sich hierbei um exakte Wissenschaften handeln würde. Dann würde ich das aber auch von meinen Lesern konsequent fordern.
 
Die Begriffe Kultur und Kunst verschieben sich natürlich auch mit den Jahren an Erfahrungen die man(n) so sammelt. Und hat man das Privileg, dass einem von einem sehr lieben Menschen ein bis dato fast völlig fremder Teil unserer Kultur näher gebracht wird, so ist das umso wirkungsvoller, wenn jener eine sehr innige Beziehung zu diesem Teil pflegt beziehungsweise pflegte.
 
Ich war also im Ballett. Schon wieder. Aber natürlich nicht irgendein Ballett, sondern ein Russisches. Ok, jetzt weiß ich es auch, Russland scheint fast ausschließlich aus Balletttänzern zu bestehen. Mittlerweile frage ich mich, ob Ballett nicht nur ein Synonym für Russisch ist.  Aber trotzdem muss man ihnen zugestehen, dass sie die Tanzerei echt drauf haben. Selbst wenn es nicht die Top A Kampfmannschaft in der Champions League ist.
 
Leider war der Rahmen der Veranstaltung nicht ganz angemessen, weil ein Ballett in die Oper gehört. Und die Wiener Stadthalle ist nun mal einige Längen davon entfernt, ein Opernhaus zu sein. Was heißt hier Längen, diese Maßstäbe müssten erst eingeführt werden, um den Abstand der Stadthalle zu einer, zum Beispiel Staatsoper, zu beschreiben. Machte aber nichts, weil wir eh ganz vorne gesessen sind und quasi den Schweiß auf der Stirn der Tänzer sehen konnten. Und durch das nicht ganz so förmliche Ambiente, war es auch nicht so schlimm, dass ich ab und zu, ok, des Öfteren, ein paar Anmerkungen loswerden musste. Sekt steigt mir halt immer gleich zu Kopf und verursacht dort quasi direkt in der Schaltzentrale Unfug. Und wenn der nicht umgehend entsorgt wird, am besten und schnellsten oral, dann läuft man(n) Gefahr, dass der Blödsinn ein ganzes Leben lang drinnen bleibt und sich mit neu hinzukommenden Nonsens verbindet, irgendwann sich materialisiert und so den Schädel sprengt. Also lieber raus damit.
 
Bemerkenswert zur Vorstellung ist, dass es fast nicht zu glauben ist, wie viel weniger störend die Mitmenschen im Publikum wirken, wenn es zusätzlich zum Audio-Reiz einen visuellen gibt. Also im Vergleich zum klassischen Konzert, dass wir vor einigen Wochen besucht haben (man sieht, wie hoch die Kulturerledigungsvermerksetzung wirklich ist), war das Publikum in dieser Veranstaltung so gut wie nicht existent für mich. Das mag daran gelegen haben, dass das Dargebotene fesselnder war, oder eben der zusätzliche visuelle Reiz vorhanden war, oder gar, weil sich das Publikum einfach besser im Griff hatte. Die Möglichkeit, dass ich das Publikum im Ballett als viel weniger störend empfunden habe, weil ich die ganze Zeit gestört habe, ignoriere ich nicht mal geflissentlich.
 
Dass wir eine Vorstellung der nicht ganz Top-Liga Balletttänzer sehen war klar, erstens kennt sich meine Süße damit bestens aus und zweitens mussten die armen Jungs und Mädels ja offensichtlich den Bühnenumbau immer selbst übernehmen. Da spielte die Musik schon, sah man noch für einige Minuten die kleinen und größeren Füßchen im kleinen Schlitz des Vorhangs herumsausen. Ich nehme mal an, dass die die Kosten ihrer Tournee so gering wie möglich halten wollten und so Bühnenarbeiter und Putzpersonal eingespart haben. Und sie dürften das auch nicht zum ersten Mal gemacht haben, denn man hörte nichts quietschen oder scheppern. Ein bisserl früher sollten sie halt mit der Aufbauarbeit beginnen und während der Pause nicht Pause machen und Tee trinken, sondern gleich mit dem Umbau anfangen.
 
Einzig den Mann am Vorhang-auf-und-zu-Knopf würde ich in Zukunft wieder von einem Profi besetzen. Ein noch schnell von der Straße mit der Aussicht auf etwas Wodka rekrutierter Mitbürger ist damit offensichtlich überfordert. Aber wahrscheinlich auch nur deshalb, weil er erst nach der Vorstellung den Alkohol bekommen hat. Das hätte ich mit meinen zwei Glaserln Sekt besser hinbekommen ;-).

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